Ein Gastbeitrag von Joana Dörfler, Lektorin und HR-Redakteurin.
Von einem sogenannten Arbeitnehmermarkt ist die Rede, wenn es in einem Bereich für zahlreiche offene Stellen nicht ausreichend Personal gibt. Die meisten Bewerber kennen die Situation, in der sie sich in Konkurrenz zu zahlreichen anderen Personen sehen, welche ebenfalls Interesse an einer bestimmten Stelle haben. Besteht hingegen ein Arbeitnehmermarkt, treten die Arbeitgeber zueinander in Konkurrenz. Das bringt zahlreiche Veränderungen im Arbeitsleben mit sich: Tendenzen wie das Human Age (der Unternehmenserfolg hängt davon ab, ob man qualifizierte Talente für sich gewinnen und behalten kann), der Feel Good-Manager, der dafür sorgen soll, dass die Mitarbeiter auch in der Firma bleiben und das sogenannte Employer Branding. Somit stellt sich die Frage in einem Arbeitnehmermarkt – muss ich mich überhaupt noch bewerben?
Nach wie vor gilt in den meisten Bereichen: Eine Bewerbung ist erforderlich
Arbeitnehmermärkte erkennt man tendenziell daran, dass man auf viele Trefferseiten stößt, wenn man einen Beruf (in einem Ort) in eine Jobbörse eingibt.
Doch in der Praxis können nur etwa 20 % der Arbeitnehmer komplett auf eine Bewerbung verzichten: Haben sie gerade eine spannende Position inne, in der sie das Unternehmen möglicherweise auch nach außen hin vertreten, erhalten sie gern einmal eine E-Mail von Konkurrenz-Unternehmen, die die wertvolle Fachkraft gern abwerben würden.
Beispielsweise werden Absolventen der Wirtschaftswissenschaften gern auf Xing oder LinkedIn von Betrieben angeschrieben, die auf der Suche nach jungen Talenten sind. Bei einem solchen Szenario sparen sich Young Professionals viel Zeit: Das Durchstöbern von Stellenanzeigen sowie das Verfassen eines überzeugenden Bewerbungsanschreibens fallen komplett weg.
Doch auch in Positionen, die von nicht-studiertem Nachwuchs besetzt werden sollen, besteht häufig ein Arbeitnehmermarkt.
Beispiel: In Berlin wird eine junge Frau von einer Headhunterin auf der Straße angesprochen: „Deine Ausstrahlung gefällt mir sehr. Genau solche Leute wie dich suchen wir als Aushilfe in unserem Modeladen. Hast du Interesse?“
Was kann ich tun, um von potenziellen Arbeitgebern im Netz gefunden zu werden?
Ein gepflegtes Xing-Profil ist wichtig, um zu zeigen: „Ich bin an einer Karriere interessiert“. Wer beispielsweise im Bereich SEO tätig ist, sollte auch zwingend eine eigene Website mit Infos zur eigenen Person führen und diese regelmäßig aktualisieren.
Viele Kandidaten wundern sich über ihren mangelnden Erfolg, obwohl die Webpräsenz oder das Online-Profil in Eigenregie mit aussagekräftigen Informationen versehen wurden. Umso dankbarer sind die Personen nach erfolgreicher Auftragsabwicklung meines Bewerbungsservice, wenn ich orthografische Fehler, unvorteilhafte Formulierungen oder bestimmte strategische Fehltritte als mögliche Ursache für mangelnden Erfolg identifizieren kann.
Zwar ist ein Ausmustern von Bewerbern aufgrund eines einzigen Tippfehlers in Bereichen mit Fachkräftemangel unrealistisch, doch eine Vielzahl an Tipp- oder Rechtschreibfehlern lässt den Personaler an den Kompetenzen der jeweiligen Person zweifeln.
Auch wenn es potenziellen Kandidaten in Berufen, in welchen Fachkräftemangel herrscht, wesentlich leichter gelingen wird, sich eine gut bezahlte Stelle zu angeln, bedeutet das also noch lange nicht, dass die Bewerbungsunterlagen (die die Firmen gern trotzdem anfordern) wie der Lebenslauf Tippfehler, orthografische Fehler oder andere gravierende Mängel enthalten dürfen.
Auch die Inhalte von Social Media-Profilen sind entscheidend
Besonders in Bereichen, in denen das Internet eine große Rolle spielt, wird ein vielversprechender Bewerber erst einmal gegoogelt. Davon versprechen sich Personaler, die Person besser einschätzen zu können. Entsprechend sollte man die Suchergebnisse, die zum eigenen Namen erscheinen, regelmäßig unter die Lupe nehmen und weniger vorteilhafte Daten entfernen (lassen). Auch aktuelle und gut gepflegte Social Media-Profile sind Pflicht. Hat man nur wenige beruflich relevante Kontakte vorzuweisen, so ist es ratsam, die Privatsphäre-Einstellungen des eigenen Profils auf der jeweiligen Plattform zu überarbeiten, sodass die eigene Kontaktarmut nach außen hin nicht ersichtlich ist.
Bewerbungstrends – wird die Bewerbung bald aussterben?
Genauso, wie man sich noch vor einigen Jahren nie hätte vorstellen können, dass postalisch eingereichte Bewerbungen eines Tages von zahlreichen Arbeitgebern übergangen werden würden, so passen heute Bewerbungen ohne Anschreiben kaum in das Bild, das wir von einer vollständigen Bewerbung im Kopf haben. Doch sind einige Unternehmen dazu übergegangen, auf das Anschreiben zu verzichten – beispielsweise namhafte Firmen wie Otto oder die Deutsche Bahn. Dies erleichtert vor allem denjenigen Kandidaten den Bewerbungsprozess, die keinerlei Schwierigkeiten bei der Jobsuche haben.
Andere Personen jedoch, die sich einen Berufseinstieg wünschen, der ihnen bislang nicht gelungen ist, sollten auch weiterhin ein Anschreiben beifügen. Ein solches ist nämlich die beste Möglichkeit, die eigene Motivation darzulegen. Auch gibt es nicht selten Bewerbungssituationen, in denen man etwas bestimmtes kommunizieren möchte, das im Lebenslauf nicht optimal zur Geltung kommen würde. Inoffiziell werden auch Firmen, die das Anschreiben als festen Bestandteil bei der Bewerbung unternehmensintern abgeschafft haben, Bewerbungen mit diesem Schriftstück akzeptieren.
Der Lebenslauf wird weiterhin eine absolut wichtige Informationssammlung zu den einzelnen Bewerbern sein. Hier ist es mittlerweile wichtig geworden, auf die amerikanische Reihenfolge zu setzen, bei welcher die aktuellsten Daten zu Beginn des Dokuments erscheinen, sodass in umgekehrter chronologischer Reihenfolge vorgegangen wird, was einer Betonung irrelevanter Informationen vorbeugen soll.
Ein weiterer Trend sind übrigens Empfehlungsschreiben, die sich aktuell großer Beliebtheit erfreuen.
In vielen Traumjobs gibt es für den Bewerber nach wie vor große Konkurrenz
Auch Personen, die in ihrem Beruf die freie Auswahl zwischen zahlreichen Jobs haben, können im Laufe ihres Lebens in eine Situation kommen, in der sie sich eine berufliche Veränderung wünschen. Beispielsweise ist der Beruf des Redakteurs, Journalisten oder Lektors mit hohen Einstiegshürden verbunden. Können und Talent allein reichen nicht aus – auch die Bewerbung muss überzeugen. Zusätzlich verlangen viele Arbeitgeber in den genannten Bereichen darüber hinaus ein abgeschlossenes Volontariat.
Da die Generation Y, die auf dem Arbeitsmarkt aktuell stark vertreten ist, komplett andere Ansprüche an das Arbeitsleben stellt – Arbeit muss Selbstverwirklichung ermöglichen, viel Spaß machen und sehr gut mit dem Privatleben kompatibel sein – ist es nicht unüblich, einen sicheren und gutbezahlten Job aufzugeben, um den eigenen Lebenstraum zu erfüllen. Man nimmt also in Kauf, sich gegen zahlreiche Mitbewerber durchsetzen und beweisen zu müssen.
Diese Sichtweise ist auch klug, denn schließlich verbringt man einen großen Teil des eigenen Lebens in der Arbeit. Wir arbeiten nicht nur, um zu leben, sondern sind erst dann richtig glücklich, wenn wir auch leben, um zu arbeiten!