Die ersten Beiträge meines Blogs haben ergeben, dass der Fachkräftemangel und der Wandel des Arbeitsmarktes eng miteinander verbunden sind. Denn einige Probleme beim Finden und Halten von geeigneten Mitarbeitern können auf eine mangelnde Bereitschaft für Veränderungen zurückgeführt werden. Was das mit der bekannten Anekdote vom Ruderwettbewerb zwischen Deutschland und Japan zu tun hat, erfährst du diese Woche im Beitrag Fachkräftemangel und ein Ruderwettbewerb.
Fachkräftemangel, ein Ruf nach Hilfe von außen
Laut Definition ist bei einem Fachkräftemangel die Nachfrage nach geeigneten Mitarbeitern höher als das Angebot. Doch wie ich ebenfalls beschrieben habe, gibt es dafür keine allumfassende Kennzahl. Mann kann nicht sagen, der Fachkräftemangel ist „8 von 10“ oder „zehntausend“. Was es allerdings gibt, sind Zahlen, die einen aktuellen Bedarf in unterschiedlichen Berufsgruppen schätzen oder einen etwaigen Bedarf in der Zukunft voraussagen.
Aber was drücken diese Zahlen noch aus, außer einem möglichen Bedarf? Tim Walter von WEGVISOR sagt in unserem Interview: „Es ist ja nicht so, dass es keine Menschen gibt, du findest ja Menschen.“ Damit regt er Unternehmen dazu an, die Stellenbeschreibung an die Kandidaten anzupassen, anstatt unaufhörlich zu warten. Aktuelle Bedarfszahlen sagen somit vordergründig aus, dass viele Menschen nicht bereit sind, diese Arbeit unter den gegebenen Bedingungen zu begleiten.
Dann gibt es noch die Prognosen, welche, unter Einbeziehung unterschiedlicher Entwicklungsvorhersagen, einen zukünftigen Bedarf angeben. Das setzt allerdings voraus, dass sich die Unternehmen nicht ausreichend an die neuen Bedingungen anpassen. Wie René Künstler im Interview sagte: „Wenn die Bereitschaft nicht vorhanden ist etwas zu ändern, dann wirst du verändert.“
Eigeninitiative und Eigenverantwortung sind dabei gefragt. Ist man nicht bereit, Veränderungen voranzutreiben und glaubt man, alles könnte so weitergehen, wie es bisher funktioniert hat, wird man in eine Art Opferrolle versetzt. Das Thema Fachkräftemangel wird somit zu einem externen Problem, gegen das man selbst scheinbar nichts machen kann. Und somit wird auch die Verantwortung die Aufgabe zu lösen, auf andere übertragen.
Doch Veränderungen sind notwendig. Es liegt in der Natur der Sache, dass man sich auf neue Rahmenbedingungen einstellen muss. Allerdings müssen diese Anpassungen von innen heraus geschehen, es kann nicht die Verantwortung von anderen sein. Wie solche Anpassungsprozesse auch schiefgehen können, zeigt die in Wirtschaftskreisen weit verbreitete Anekdote vom Ruderwettbewerb zwischen Deutschland und Japan.
Der Ruderwettbewerb – eine Anekdote
Vor nicht all zu langer Zeit beschlossen ein deutscher und ein japanischer Firmenchef die Stärke ihrer Unternehmen zu vergleichen. Hierzu vereinbarten sie ein, von da an jährlich stattfindendes, Wettrudern im Achter. Der Vergleich wurde sehr ernst genommen, die beiden Mannschaften haben lang und hart trainiert, um Höchstleistungen zu erreichen.
Am Tag der Entscheidung waren beide Teams topfit und bestens vorbereitet. Doch die Japaner gewannen das mit Spannung erwartete Rennen überlegen mit einem Kilometer Vorsprung. Diese Niederlage traf das deutsche Team zutiefst und die Moral sank auf den Tiefpunkt.
Daraufhin entschied das oberste Management, die Gründe für solch eine verheerende Niederlage zu analysieren und rief dazu eine Task Force ins Leben. Ziel sollte es sein, dem Problem auf den Grund zu gehen, um passende Gegenmaßnahmen einleiten zu können.
Nach zahlreichen Befragungen, Untersuchungen und Workshops kam man schließlich zu folgendem Ergebnis: im japanischen Team ruderten acht Leute und eine Person steuerte, bei den Deutschen hingegen ruderte ein Mann und acht steuerten.
Das oberste Management reagierte und engagierte mit sofortiger Wirkung eine Beraterfirma für die Ausarbeitung eines Restrukturierungskonzeptes. Nach vielen Monaten intensiver Analyse mit erheblichem Kostenaufwand kam die Beraterfirma zu der Erkenntnis, dass zu viele Steuerleute und zu wenig Ruderer das Boot besetzen.
Damit man nicht nochmal gegen die Japaner verliert, wurde die Struktur des Teams neu aufgestellt. Von nun an wurden vier Steuerleute, drei Obersteuerleute, ein Steuerdirektor und ein Ruderer eingesetzt. Zusätzlich wurde ein Leistungsbewertungssystem eingeführt, um dem Ruderer mehr Ansporn zu geben. „Wir müssen seinen Aufgabenbereich erweitern und ihm mehr Verantwortung übergeben.“
Im folgenden Wettbewerb siegte die japanische Regatta mit zwei Kilometern Vorsprung.
Der Ruderer wurde anschließend auf Grund von schlechter Leistung entlassen und sämtliche Investitionen in ein neues Boot eingestellt. Die Beraterfirma wurde für ihr innovatives Konzept gelobt und das eingesparte Geld dem Management als Bonus ausgezahlt.
Veraltete Denkmuster auflösen
Vielen wird die in der Anekdote beschriebene Entwicklung bekannt vorkommen, oder zumindest kann sie nachvollzogen werden. Dabei soll es auf gar keinen Fall als „Hau Drauf“ für Manager und Führungskräfte gesehen werden. Viel mehr ist es ein Anstoß, um alte Denkweisen und Verhaltensmuster zu hinterfragen und aufzubrechen.
Ein Grund für solch eine Entwicklung ist der weit verbreitete Führungsstil der drei K’s:
- Kommandieren
- Kontrollieren
- Korrigieren
„Ich sage dir, was du zu tun hast. Danach kontrolliere ich deine Arbeit und sage dir, was du falsch gemacht hast.“ Diese aus dem Militär stammende Art zu führen ist recht simpel und hat sich über viele Jahre auch bewährt. Denn sie ist für alle Beteiligten einfach zu verstehen und erfordert nahezu keine weiteren Führungsqualitäten.
Diese Art des Managements stößt bei der immer weiterwachsenden Komplexität der Arbeit an ihre Grenzen. Die zu bewältigenden Aufgaben sind mittlerweile so komplex, dass sie nicht mehr allein von einer Führungsperson erfasst werden können. Deshalb entstehen immer neue Unterstrukturen, um weiterhin von oben nach unten durchdirigieren zu können.
Und auch das ist kein reines Anprangern von Führungskräften. Denn schaut man sich an, wie bisher Hierarchien entstanden sind, kennen es die meisten einfach nicht anders. Um in der Struktur der drei K’s aufsteigen zu können, muss man zunächst auf fachlicher Ebene auffallen. Wer seine Aufgaben tadellos abarbeitet, wird als geeignet angesehen, um in der Hierarchie aufzusteigen. Dort angekommen ist man zwar fachlich top, aber meist ohne jegliche Ausbildung im Bereich Führung.
Führung im Unternehmen bedeutet jedoch viel mehr als ein Durchdirigieren der einzelnen Hierarchieebenen. Es bedeutet zu wissen, welche Ziele und Werte das Unternehmen hat und dafür ein umfassendes Bewusstsein zu schaffen. Nur so entsteht Orientierung, nach der Führungs- und auch Fachkräfte ihr Handeln ausrichten, um optimal auf neue Herausforderungen reagieren zu können. Genau wie im japanischen Achter.