Wir müssen uns von der Einstellung lösen, dass Geschäftigkeit, also das ständige Tun und Machen, etwas Gutes sei. Die Vorstellung, sie sei an sich etwas Positives, ist ein Grundpfeiler für fehlende Produktivität und Effizienz. Geschäftigkeit zielt nur darauf ab, dass man sich abrackert, um das Gleiche zu erreichen, wie jemand der nicht geschäftig ist. Geschäftigkeit ist kein Erfolg und zu viel Leistungsbereitschaft und Aktivität ist Verschwendung.
Der Gegensatz von „erledigt“ und „nicht erledigt“
Unser gegenwärtiger Arbeitsalltag ist so organisiert, dass wir alles durch die Brille der Produktivität sehen. Somit sind die Dinge entweder „erledigt“ oder „nicht erledigt“. Dabei wird „erledigt“ unmittelbar als gut definiert und „nicht erledigt“ als schlecht eingestuft. Alles fällt dabei in eine der beiden Kategorien, wodurch man jeglichen Sinn für Qualität und Kultur verliert.
Ein praktisches und bekanntes Beispiel stellt die tägliche Mittagspause dar. Wie der Name schon sagt, handelt es sich um eine Pause. Man bekommt sie nicht bezahlt und sie steht einem zur freien Verfügung. Folglich ist es auch egal, ob man 20 Minuten oder eine Stunde Pause macht. Doch anstatt tatsächlich Pause zu machen, sich zu erholen und die Zeit für sich zu nutzen, wird die Mittagspause oft genutzt, um die Produktivität vermeintlich noch weiter zu steigern.
Wie der Telegraph in einer Befragung 2017 herausfand, nehmen Büroangestellte durchschnittlich an vier Tagen in der Woche ihr Mittag am Schreibtisch zu sich. Ein schnell gekauftes Sandwich oder ein Salat in der Plastikbox wird dort gegessen, wo man eh schon den ganzen Tag sitzt. Anstatt zu akzeptieren, dass es in dieser Zeit eben nichts zu erledigen gibt, mutiert die Pause zu etwas, was einfach erledigt und abgehakt werden muss.
Diese Einordnung in „erledigt“ und „nicht erledigt“ führt dazu, dass das Leben in eine nie enden wollenden Tätigkeit verkümmert, etwas Unerledigtes erledigen zu wollen. Anstatt nach und nach immer wieder einen Haken an etwas machen zu wollen, sollten wir das Bewusstsein dahin bringen, zu überlegen, ob etwas sinnvoll ist oder nicht. Ist das eine jetzt wirklich notwendig oder muss jenes tatsächlich gerade erledigt werden? Wozu soll manches überhaupt erledigt werden?
Der Unterschied zwischen „geschäftig“ und „gefragt“
Der Glaube, dass Geschäftigkeit etwas Gutes ist, resultiert aus der falschen Annahme, dass es ein Zeichen von persönlichem Erfolg ist, wenn man keine Zeit hat. Wenn man 50 Stunden in der Woche arbeitet, muss man ein gefragter Mensch sein. Ein Mensch, der gebraucht wird und der mit Sicherheit ziemlich wichtig ist. Dabei nagelt uns diese Einstellung nur an sinnlose Jobs fest und hält uns vom guten Leben ab.
Wie manifestiert diese Einstellung ist, zeigen die unterschiedlichen Reaktionen, welche bei alltäglichen Aussagen in uns hervorgerufen werden. „Puh, ich habe heute wieder so viel zu tun. Ich weiß gar nicht, wie ich das alles schaffen soll.“ bewirkt oftmals eine Art Mitleid bei gleichzeitiger Anerkennung des vermeintlich Geleisteten. Es erzeugt ein positives Mitgefühl, ohne zu wissen, was und wie viel tatsächlich zu tun ist.
Das komplette Gegenteil bewirken Aussagen wie: „Ich gehe jeden Mittwoch nach dem Mittag zum Tennis spielen und anschließend in die Sauna.“ Als erste impulsive Reaktion stell man sich die Frage, ob der- oder diejenige nichts zu tun haben und ob sie nicht arbeiten müssen? Kaum jemand ist in der Lage daraufhin ernstgemeint viel Spaß zu wünschen.
Anstatt an einen Zusammenhang zwischen Zeit und Leistung zu glauben, könnten wir Einfachheit und Eleganz glorifizieren. Die Leute mit den übervollen Terminkalendern und dem großen Tamtam, was sie darum machen, sind keine Vorbilder. Das sind eher die bescheidenen Typen, die schnell und effektiv ihre Aufgaben erledigen. Zu viel Arbeit ist kein Statussymbol und erst recht kein Grund zum Feiern, sondern ein Versagen des persönlichen Managements.
Zeit ist nicht gleich Geld
Der Glaube an die Bedeutung von Geschäftigkeit geht oft einher mit Geld. Und diese Glorifizierung zieht sich durch alle Ebenen. Betrachten wir nur einmal das Bruttoinlandsprodukt (BIP). Es gilt als Messlatte für den internationalen Erfolg und Status eines Landes. Dabei handelt es sich dabei nur um eine Momentaufnahme aller wirtschaftlichen Transaktionen. Es zeigt quasi nur, wie geschäftig ein Land ist.
Die Green Party of England and Wales hat 2018 einen Free Time Index (FTI) als Alternative zum BIP vorgeschlagen. Dabei geht es nicht darum das BIP abzuschaffen, wir sollten lediglich aufhören es als Maßstab für Erfolg anzusehen. Der FTI könnte alternativ zeigen, wie viel freie Zeit einer Nation pro Jahr zur Verfügung steht. Die freie Zeit wäre somit ein Indikator für persönlichen und nationalen Erfolg, anstatt zu messen, wie umtriebig wir waren.
Wenn es darum geht unsere Arbeit zu organisieren, sollten wir die schnellste und einfachste Variante bevorzugen und nicht diejenige, die am meisten hermacht. Anstatt das Rad immer wieder neu zu erfinden, sollten wir auf bereits vorhandene Lösungsmöglichkeiten zurückgreifen, diese an unsere Anforderung anpassen und dem eigentlichen Erfinder dankbar sein.
Dabei sollten wir die Art und Weise ändern, wie wir Erfolg in Verbindung mit Arbeit definieren. Statt zu denken, dass erfolgreiche Menschen geschäftige Menschen sind, könnten wir sie als ineffiziente Personen ansehen. Also als Leute, die sich viel zu sehr für etwas aufopfern und sehr wahrscheinlich Angst haben, etwas zu verlieren, wenn sie unbeschäftigt wirken.
Wir müssen von der Idee Abschied nehmen, dass Geschäftigkeit gleichbedeutend mit Erfolg sei. Beides gehört nicht zusammen! Es muss vielmehr darum gehen, Effizienz bei der Arbeit zu nutzen, um mehr freie Zeit für anderes zu haben, anstatt noch mehr sinnlose Dinge zu „erledigen“.