Die einen lechzen nach Arbeit, die anderen brechen darunter zusammen. An der einen Ecken fehlen Stunden, an der anderen weiß man nicht wohin damit. So pendelt unser Arbeitsmarkt zwischen Armut und Burnout. Es scheint, Arbeitsgerechtigkeit im modernen Zeitalter hat meist nicht viel mit Gerechtigkeit zu tun, betrachtet man zumindest die Verteilung des Arbeitsaufwandes.
Wir fragen uns, woher kommt das große Problem und kann es eine faire Lösung geben?
Arbeitsgerechtigkeit – wie bitte? Geht das gerecht?
Arbeitsgerechtigkeit kann sich auf vielfältige Themen beziehen. Wir wissen jedoch: Gerechtigkeit dreht sich immer um den Begriff Fairness. Ist es fair, dass der andere mehr Gehalt bekommt als ich? Ist es fair, dass manche Jobs über- und andere unterbezahlt werden? In Betrieben wird der Begriff Arbeitsgerechtigkeit mit Schlagworten wie Geschlechtergleichbehandlung, Gehaltstransparenz, gute Versorgung der Mitarbeitenden, etc. gleichgesetzt.
Wir betrachten heute die Arbeitsgerechtigkeit im modernen Zeitalter in einem anderen Licht. Wir fragen uns: Ist es fair, dass jemand Überstunden schiebt und ein anderer dafür am Arbeitsmarkt keinen Job findet? Der eine steckt im Hamsterrad fest und der nächste wünscht sich, den Fuß überhaupt kurz ins Hamsterrad strecken zu dürfen. Es gibt dabei einige Dynamiken, die die Aufteilung der Arbeit beeinflussen und auf lange Frist unseren Arbeitsmarkt stark beeinträchtigen. Wir betrachten heute zwei der großen Einflussfaktoren.
Arbeitsgerechtigkeit – Irgendwie hängt doch alles an der Wirtschaftlichkeit
Unternehmen sind nicht blind. Sie wissen, wie viel Arbeitszeit ihre Arbeitnehmenden ableisten. Sie wissen, wie hoch die Produktivität ist und welchen Gewinn sie am Ende eines Tages erzielen. Damit der Gewinn auch möglichst hoch bleibt, wollen sie so wenig Aufwendungen wie möglich. Das steht stark im Zusammenhang mit den Mitarbeitenden. Warum? Je weniger Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, umso höher der Gewinn.
Für zwei Mitarbeitende muss zweimal Gehalt ausbezahlt werden. Zweimal Versicherung beglichen. Zweimal Personalaufwendungen bedacht, usw. Mehr Mitarbeitende kosten mehr Geld. Das ist Fakt. Daher wird ein Jobprofil auch gern großzügig formuliert: der Mitarbeitende sollte am besten die Finanzen managen, Canva bedienen, Social Media Posts schreiben und gleichzeitig Erfahrung als Astronaut mitbringen – dann kann er oder sie doch bestimmt gut mit Stress umgehen.
Unternehmen müssen mit der Konkurrenz mithalten und die Globalisierung verstärkt dies. Arbeitskosten sind in Billigländern, wie in Teilen Asiens, viel günstiger als zum Beispiel in Deutschland oder Österreich. In diesen Ländern muss daher weniger Personal in kurzer Zeit gleich viel Arbeit erledigen.
Dabei ist die Formulierung kurze Zeit nicht außer Acht zu lassen. Dringlichkeit und Zeitknappheit steigen parallel zueinander an. Jenes Projekt muss bis zum Ende des Monats abgeschlossen sein. Nein, noch besser bis zur Hälfte des Monats, damit man der Konkurrenz eine Nasenlänge voraus ist. Unternehmen müssen wirtschaftlich denken und gleichzeitig treiben sie ihre Mitarbeitenden in den Krankenstand und leider immer häufiger auch ins Burnout.
Kann das gutgehen?
Wir sollten uns die Frage stellen: Wie lange können Unternehmen sich Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen leisten, die ausbrennen? Die nur noch mit dem letzten Funken Energie zur Arbeit erscheinen und am liebsten alles hinwerfen würden? Würden sich die Kosten am Ende nicht aufheben, wenn es zwar zwei Mitarbeitende für einen Job gäbe, dafür aber weniger Krankenstände und fokussierte Arbeitnehmende, die ihre Jobs gut machen?
Jobprofile sollten Anforderungen an Mitarbeitende stellen, die sinnvoll sind. Welche Aufgaben kann ich an einem einzelnen Mitarbeitenden zuteilen, ohne dass dieser vor Panik in der nächsten Toilette verschwindet und sich bis zum Nachmittag darin verbarrikadiert? In der Arbeitswelt wird immer mehr verlangt, Mitarbeitende sind allerdings müde. Sie wollen, können aber anhaltend nicht über ihre Grenzen gehen. Wie lange kann das also funktionieren?
Industrie 4.0 – wie sie unser ausgebrannt sein verschlimmert
Wir beziehen uns mit der Bezeichnung Industrie 4.0 vordergründig auf die enorme Digitalisierung unserer Arbeitswelt. Im Grunde eine gute Sache, können uns Maschinen und Software-Produkte unsere Arbeit erleichtern. Doch die zunehmende Komplexität fordert ihren Tribut. Die Mitarbeitenden sind vermehrt Stress ausgesetzt. Nicht nur, dass sie ständig neue Programme kennenlernen und am neusten Stand sein müssen, von ihnen wird in kurzer Zeit viel mehr erwartet. Eine Maschine könnte das schließlich auch – meint man.
Ohne uns Menschen kommt die Maschine dann doch nicht ganz aus. Man lässt die Arbeit zwar von Maschinen und Software-Produkten übernehmen, allerdings sind die ausgespuckten Ergebnisse meist noch reichlich auszufeilen. Arbeitnehmende müssen diese Ergebnisse prüfen und das, wie schon erwähnt, in viel kürzerer Zeit. Die Zeitknappheit spiegelt sich natürlich auch darin wider, dass man plötzlich ein, zwei Stunden Arbeitszeit verliert, weil man sich mit neuen Programmen erst vertraut machen muss. Da man aber ohnehin schon unzählige Programme als Arbeitserleichterung hat – die nebenbei bemerkt, häufig auch viel kosten – braucht man ja nicht zusätzlich einen Kollegen/eine Kollegin. Man wird das allein schon schaffen, oder?
Wirtschaftlichkeit und Fortschritt sind zwei Grundpfeiler, die unser menschliches Dasein bestimmen. In Unternehmen geht es natürlich größtenteils darum, wie können wir noch erfolgreicher sein und welche Schritte können wir setzen, um als zukunftsorientiert zu gelten. Gleichzeitig brauchen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen Zeit für Erholung. Ihr Kopf muss frei sein, damit sie die Menge an (maschinellen) Informationen verarbeiten und anschließend erfolgreich in die richtige Richtung lenken können. Es ist ein Irrglaube der Digitalisierung, dass ein Mensch durch die Hilfe von Maschinen fünf Arbeiten gleichzeitig in hoher Qualität abliefern kann – ohne, dass er eines Tages ausgebrannt ist. So sind auf der eine Seite die gestressten Mitarbeitenden und auf der anderen Seite die, die am Arbeitsmarkt scheinbar keiner mehr braucht.
Wären manche Arbeitsstellen nun doppelt besetzt oder würden Jobprofile wieder enger gefasst werden, könnten mehr Menschen den Arbeitsaufwand bewältigen. Stress würde reduziert werden und die Personen, die zurzeit vergeblich nach einem Job suchen, könnten endlich aufatmen. So könnte man mehr Arbeitsgerechtigkeit im modernen Zeitalter in die Aufteilung des Arbeitsaufwandes bringen und den Arbeitnehmenden das geben, was sie brauchen: stressreduzierte Phasen. Auf lange Frist wird das auch für die Wirtschaftlichkeit der Unternehmen förderlich sein. Sonst bleiben Unternehmen am Ende auf Personalkosten sitzen, die ihnen aktiv keine Arbeitskraft mehr einbringen – denn kranke und unglückliche Mitarbeitende sind teure Mitarbeitende.