In den vergangenen Wochen wurde das zur Realität, was man vorher oft nur vom Hörensagen her kannte – das Home-Office. Unverhofft und unvorbereitet haben sich viele an ihrem Küchen- oder Wohnzimmertisch wiedergefunden. Wohl dem der unter all der nicht gemachten Ablage noch einen jahrelang vermissten Schreibtisch gefunden hat. Nun hat man den Home-Office Vorteil, endlich Ruhe vor den Kollegen und weiß doch nicht, wie man die neue Situation am besten angehen soll. Aber bei allem Googlen nach Tipps zum Home-Office solltest du dir eine Frage stellen: Bringt es dir selbst etwas alles wie bisher zu machen?
Video-Konferenz in Unterhose
Frisches Hemd und Krawatte, aber unterm Tische lediglich die Unterhose. An dieses Bild denkt man wohl als erstes, wenn das Wort Home-Office fällt. Jedoch wird man schnell feststellen, dass arbeiten von zu Hause aus wesentlich mehr als nur eine lustige Karikatur ist. Es ist für alle Angehörigen eine gänzlich neue Situation.
Bisher bekannte Lösungsansätze greifen plötzlich nicht mehr. Alt bekannte Abläufe werden in kürzester Zeit über den Haufen geworfen und man fängt gefühlt bei null an. Es ist wie der erste Tag im neuen Job. Man weiß vielleicht wo der Drucker und die Kaffeemaschine stehen, aber der Rest ist unbekannt. Der große Unterschied dabei: im neuen Job kann man seine Kollegen fragen – zu Hause leider nur Google.
Im Netz überschlagen sich die Ratschläge und Tipps geradezu, wie man jetzt im Home-Office die besten Ergebnisse erzielt. Mach das so, beachte dies, kümmere dich um jenes und du wirst erfolgreich sein. Ein Ratschlag besser und optimaler als der andere – doch am Ende gehören sie immer in eine der folgenden Kategorien.
Schaffe eine Struktur
Einer der wohl bekanntesten und meist genannten Ratschläge, wenn es um das Thema Home-Office geht, ist: schaffe eine Struktur. Das ist durchaus ein sinnvoller Hinweis, denn Strukturen geben Sicherheit und Orientierung. In Bezug auf die Arbeit helfen sie dabei sich auf das wesentliche zu konzentrieren und die eigentliche Aufgabe im Blick zu behalten.
Doch warum braucht man in dieser Situation den Hinweis, dass man morgens aufstehen, mittags etwas essen und abends irgendwann Feierabend machen solls? Weil man zum ersten Mal selbst für seine Struktur und seinen Tagesablauf verantwortlich ist.
Wenn man bisher von morgens um acht bis abends um sechs im Büro war, dann war das keine selbst gewählte Struktur. In aller Regel waren es Vorgaben vom Unternehmen oder wurden von den Führungskräften so vorgelebt. Man hat diese Strukturen lediglich angenommen und den restlichen Tagesablauf danach gerichtet.
Schaffe ein vertrautes Umfeld
Es gibt unterschiedlichste Theorien, wie eine Arbeitsumgebung aussehen sollte damit das volle Potenzial abgerufen kann. Vom aufgeräumten Schreibtisch bis hin zur selben Kleiderordnung wie auf Arbeit ist alles dabei. Doch am Ende lassen sich alle Ratschläge auf eine Aussage zusammenfassen: Das Büro ist das gewohnte Umfeld, dort ist man am produktivsten.
Was kann man feststellen, wenn man einmal gedanklich den Blick über die Schreibtische im Büro wandern lässt? Man findet Bilder von Freunden und Familie, Kalender mit Hobby-Motiven und jede Menge persönlichen Krimskrams. Man ist so oft und so lange im Büro, dass man an seinem Arbeitsplatz ein privates Umfeld schafft. Schreibtische werden personalisiert, um sich wie zu Hause zu fühlen.
Nun befindet man sich genau in dem Umfeld, welches man sich vorher versucht hat am Arbeitsplatz zu schaffen. Man ist zu Hause. Aber plötzlich fühlt man sich unproduktiv. Man bekommt am Ende des Tages das Gefühl nicht genug geleistet zu haben. Doch erinnert man sich an einen normalen, bisher gewohnten Arbeitstag, so war man dort auch nicht acht oder neun Stunden durchweg produktiv.
Dennoch empfindet man es erst nach täglich acht oder neun Stunden im Büro als gerechtfertigt am Ende des Monats sein Gehalt zu bekommen. Anwesenheit und umgehende Verfügbarkeit fühlen sich wie erbrachte Leistung an. Das eigentliche Ergebnis der Arbeit rückt dabei in den Hintergrund.
Bleibe mit Kollegen in Kontakt
Wie genau soll dieser Ratschlag weiterhelfen? Es kann nicht darum gehen, das Gemurmel vom Großraumbüro zu simulieren. Es kann auch nicht darum gehen, alle fünf Minuten einen Anruf zu erhalten, weil einem gerade etwas Neues eingefallen ist. Und es kann auch nicht darum gehen, seine Aufgaben weiterzureichen, wenn man keine Lust darauf hat.
Man hat endlich Ruhe vor den Kollegen. Doch der Eindruck von erbrachter Leistung, die permanente Anwesenheit und Verfügbarkeit, haben viele vergessen lassen, Informationen zu sammeln und zielgerichtet zu vermitteln. Das führte bisher dazu, dass man sich in Diskussionen verstricken und dabei das Ziel aus den Augen verlieren konnte. Dass Kleinigkeiten weitergegeben und dabei der Zusammenhang vergessen wurde. Und zu guter Letzt führte es dazu, dass man immer und immer wieder seine eigentlichen Aufgaben unterbrechen musste.
Natürlich lockert ein Plausch an der Kaffeemaschine oder eine gemeinsame Zigarette vor der Tür den Arbeitsalltag auf. Doch handelt es sich bei solchen Momenten wirklich um einen freundschaftlichen Austausch? Oder sind es nur die kleinen Lichtblicke, die einen vom Arbeitsalltag ablenken?
Halte nicht krampfhaft am alten Zustand fest
Schau dir deine gegenwärtige Lage in Ruhe einmal an und nimm dir drei Dinge raus, die sich grundlegend zu deinem bisherigen Arbeitsalltag geändert haben. Vergleiche dazu den bisherigen mit dem neuen Ablauf und überlege, welcher dir wirklich entspricht. Vielleicht merkst du, dass es sich besser für dich anfühlt eine Stunde früher oder später mit der Arbeit zu beginnen. Oder du stellst fest, dass du plötzlich die gleichen Aufgaben in drei, vier ungestörten Stunden erledigst, für die du bisher einen ganzen Tag benötigt hast. Vielleicht siehst du auch, dass es möglicherweise keinen Einfluss darauf hat, ob du bei der Arbeit ein Hemd mit Krawatte oder einfach nur ein T-Shirt trägst.
Egal zu welchem Ergebnis du dabei gelangen solltest, du hast die Chance der aktuellen Situation bereits besser genutzt als manch andere. Denn wie ich bereits geschrieben habe, eine Krise ist nicht gleich eine Katastrophe und es wird eine Zeit danach geben. Nur deine Einstellung gegenüber deiner Arbeit wird eine andere sein.
Wenn du feststellst, dass du vorher viel besser zurechtgekommen bist und dein bisheriger Alltag dem entsprach, was du brauchst, dann gratuliere ich dir. Du hast den Job gefunden, der zu dir passt. Du gehörst mit hoher Wahrscheinlichkeit zu den 15%, die sich voll und ganz mit ihrer Arbeit identifizieren. Nutze diese Erkenntnis und schöpfe daraus deine Motivation.
Es kann aber auch sein, dass du erkennst, dass es in der neuen Situation plötzlich mehr um dich geht. Dass es dir gut tut selbst zu entscheiden, wie dein Tag aussieht. Diese Erkenntnis kann auch schmerzhaft sein, denn es stellt sich automatisch die Frage, ob du zu deinem Job passt. Dazu empfehle ich dir den Beitrag “Gesellschaftlicher Bedeutungswandel der Arbeit”.
Und als positiver Abschluss, egal wie die Bewertung deiner drei Punkte aussieht, es gibt kein falsches Ergebnis. Es verschafft dir höchstens mehr Klarheit über deine Lage. Es würde mich sehr freuen, wenn du mir deine Erkenntnisse mitteilst. Schreibe sie in die Kommentare oder schicke mir eine Nachricht.
Ich mag tatsächlich die komprimierte Kommunikation über Chat im Homeoffice sehr gerne; man diskutiert tendenziell einfach weniger über irgendwelchen Scheiß. Und man kann vorher überlegen, bevor man eine Frage stellt oder eine Antwort gibt, was eine höhere Qualität erzeugt.
Hallo Jessica,
freut mich, dass du diese Einschätzung teilst. Es zwingt einen auch ein wenig, sich selbst mit der Problemlösung auseinanderzusetzen.
Ist dir noch etwas aufgefallen, was dir in der neuen Situation besser gefällt?
Als Corona hier alles zum Stillstand brachte, musste ich einen Monat lang zu Hause bleiben! Kein Home Office, weil das in meiner Branche nicht möglich ist! Ein sehr guter Freund von mir ist seitdem Zuhause tätig. Er vermisst sein normales Umfeld, sieht aber auch viel Positives am Home Office! Ich denke, das ist für einige Branchen auf jeden Fall eine Alternative!
Liebe Grüße
Jana