Nachhaltigkeit ist derzeit in aller Munde, doch für viele nur ein Begriff ohne weitere Bedeutung. Dabei ist der Grundgedanke dazu älter als 300 Jahre und entstand im sächsischen Erzgebirge. Was Hans Carl von Carlowitz damit zu tun hat und was nachhaltiges Handeln wirklich bedeutet, erfahrt ihr im Beitrag Carlowitz – Nachhaltigkeit Made in Sachsen.
Leben und Wirken von Carlowitz
Hans Carl von Carlowitz, genauer gesagt Johann „Hannß“ Carl von Carlowitz ist am 24. Dezember 1645 in Oberrabenstein, am Rande des sächsischen Chemnitz, geboren. Seine Familie war Teil des damaligen Uradels und bereits seit mehreren Generationen mit der wirtschaftlichen Verwaltung der Wälder im Erzgebirge betraut.
Auch wenn die Zeiten mager und vom Dreißigjährigen Krieg gebeutelt waren, genoss Carlowitz eine umfangreiche Ausbildung. Nach seiner Zeit am Stadtgymnasium zu Halle studierte er in Jena Rechts- und Staatswissenschaften und befasste sich zudem mit Fremdsprachen, Naturwissenschaften und Bergbaukunde. Anschließend begab er sich für fünf Jahre auf Kavalierstour, eine frühe Form des heutigen Work and Travel.
“Fremde Länder sind die besten hohen Schulen kluger Aufführung” und so verlief seine Reise quer durch ganz Europa. Die Liste der Länder ist lang. Sein Weg führte von England über die Niederlande, Dänemark, Schweden, Italien, Malta bis nach Frankreich. Und in ganz Europa zeigte sich das gleiche Bild wie im heimischen Erzgebirge: Holz ist Mangelware und deren Knappheit ein akutes Problem der damaligen Zeit.
“Binnen wenig Jahren ist in Europa mehr Holtz abgetrieben worden, als in etzlichen seculis erwachsen”, fasste Carlowitz die Lage zusammen. Auf Grund der jahrelangen Übernutzung der Wälder, sah man um 1700 sogar den sächsischen Silberbergbau existenziell bedroht. Nicht weil das Erzvorkommen erschöpft war, sondern weil es schlicht kein bezahlbares Holz mehr für den Grubenausbau sowie die Schmelzhütten gab.
Nach seiner Rückkehr wurde er zum sächsischen Vizebergmann ernannt und lebte fortan in Freiberg. 1711 folgte schließlich seine Ernennung zum Oberberghauptmann des Erzgebirges und somit die Zuständigkeit für die Holzversorgung im Bergbau. Dabei schlug er neue Wege ein und veröffentlichte diese 1713 in seinem Buch Sylvicultura oeconomica, dem ersten geschlossenen Werk zum Thema Nachhaltigkeit.
Nachhaltigkeit im 18. Jahrhundert
Die Ausrichtung des Wirtschaftens auf kurzfristigen Gewinn kritisierte Carlowitz als Irrweg. So schrieb er, dass ein Kornfeld zwar jährlichen Gewinn abwerfe, man auf den Ertrag eines Waldes jedoch Jahrzehnte warten muss. Gewiss ließe sich auch mit dem Verkauf von Holz kurzfristig viel Geld verdienen, doch ist der Wald einmal ruiniert, so bleiben auch die Einkünfte daraus über Jahre aus.
Weiterhin schrieb er, dass der gemeine Mann die jungen Bäume nicht schonen würde, da er selbst nie in den Genuss deren Holzes komme. Mit der Annahme einer unendlichen Verfügbarkeit gehe man verschwenderisch mit der Ressource Wald um. Und so schob Carlowitz dem unkontrollierten Raubbau einen Riegel vor: “Dass man mit dem Holtz pfleglich umgehe.”
Holz sei vergleichbar mir dem täglichen Brot und man müsse es behutsam nutzen. Er setzte auf ein Gleichgewicht zwischen An- und Zuwachs sowie dem Abbau des Holzes, sodass dessen Nutzung “immerwährend”, “continuirlich” und “perpetuirlich” stattfinden könne. Es dürfe demnach kein Mangel entstehen und dort, wo Holz abgetragen wurde, müssen neue Bäume wachsen.
Carlowitz galt als durchaus treu gegenüber seinem Herrn, dem damaligen Kurfürsten August der Starke. Allerdings nicht in einer heuchlerischen Art und Weise wie seinem Nachruf zu entnehmen ist. So lehnte er es ab, für eingebildete Prinzipien den Ruin des Landes in Kauf zu nehmen. Es ging ihm darum, dass die Ökonomie dem Wohl der Allgemeinheit dient, sich einem schonenden Umgang mit der Natur verpflichtet und Verantwortung für künftige Generationen übernimmt. Somit begründete er quasi das Dreieck der Nachhaltigkeit.
Das Dreieck der Nachhaltigkeit
Auch viele Jahre nach Carlowitz bezog sich der Gedanke der Nachhaltigkeit ausschließlich auf die Forstwirtschaft. Erst im Jahre 1987 wurde mit dem Brundtland-Report der Vereinten Nationen der Grundstein für einen weltweiten Diskurs zum Thema gelegt. Und weitere fünf Jahre später verpflichteten sich auf der Weltkonferenz der Vereinten Nationen über 180 Länder für eine nachhaltige Entwicklung ihrer Staaten.
Als Ergebnis dieser Konferenz wurden in der Agenda 21 geeignete Lösungsansätze festgehalten. So könne ein nachhaltiges Handeln nur durch die Verknüpfung unterschiedlicher Interessen entstehen. Dabei müssen
- Soziale Bedürfnisse und Gerechtigkeit
- Wirtschaftliche Interessen
- Umweltbewusstes Handeln
stets in Waage gehalten werden. Nur dadurch kann eine positive Lebensgrundlage für nachfolgende Generationen erhalten bleiben. In allen Punkten stellt sich dabei stets die Frage, wie viel ist genug? Veranschaulicht wird dieses Gleichgewicht im Dreieck der Nachhaltigkeit.
Die sozialen Aspekte
Werden die sozialen Aspekte berücksichtigt, so bedeutet das eine gerechte Verteilung der Ressourcen zur Existenzsicherung. Als Resultat ergibt sich somit aus nachhaltigem Handeln eine Gleichheit und Gerechtigkeit in Bezug auf die Lebenschancen und -qualität aller aktuell und zukünftig auf Erden lebenden Menschen.
Die ökonomischen Aspekte
Die ökonomischen Aspekte beschreiben eine optimale Nutzung der Ressourcen sowie eine effiziente und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Nachhaltiges Handeln bedeutet, den nachfolgenden Generationen ein funktionierendes Wirtschaftssystem mit ausreichend Ressourcen zu hinterlassen.
Die ökologischen Aspekte
Nachhaltiges Handeln mit Blick auf die ökologischen Aspekte erfordert den Erhalt der Natur und der ökologischen Vielfalt sowie dem Vermeiden von irreversiblen Schäden. Bei der Nutzung von natürlichen Ressourcen ist stets auf deren Regenerationsfähigkeit und -zeit zu achten. Außerdem ist die Aufnahmefähigkeit der Erde in Bezug auf Abfall und Emissionen zu berücksichtigen.
Nachhaltigkeit Heute
Obwohl das Thema Nachhaltigkeit bereits seit ca. 30 Jahren bei den Vereinten Nationen als verpflichtend angesehen wird, ist eine ganzheitliche Umsetzung nach wie vor nicht vorhanden. Noch immer stehen viele Entscheidungen unter dem Einfluss der wirtschaftlichen Entwicklung des 20. Jahrhunderts. Wirtschaftliche Folgen werden stets höher bewertet als soziale oder ökologische.
Zu beobachten ist derzeit ein ausgeprägter Generationenkonflikt. Dabei prallen veraltete, rein auf wirtschaftlichen Wohlstand fokussierte Interessen auf zukunftsorientierte, ganzheitlich betrachtete Visionen. So kann das Erstarken von Wirtschaftsradikalen, wie beispielsweise in den USA, Großbritannien oder Brasilien, voraussichtlich als letztes Aufbäumen gesehen werden. Denn die Notwendigkeit für ein nachhaltiges Handeln wächst und wird auch nicht aufzuhalten sein. Dies erfordert jedoch, wie der Autor Georg Sperber beschreibt, eine grundlegende Veränderung in der Gesellschaft.
“…unsere Gesellschaft ist sich überhaupt nicht bewusst, welche Verpflichtung sie mit dem Rio-Bekenntnis zur nachhaltigen Entwicklung eingegangen ist. Wenn diese Industriegesellschaft, diese Plünderungs-, Exploitations- und Beutemachergesellschaft, plötzlich wirklich ernst machen wollte, nachhaltig zu wirtschaften, so ist das ein Umkrempeln bis tief hinein in das Wesen dieser Industriegesellschaft. Eine Revolution im wahrsten Sinne des Wortes.”
Carlowitz kritisierte schon damals das auf kurzfristigen Geldgewinn ausgerichtete Wirtschaften als Irrweg. Auch wenn sich die Zeiten seitdem drastisch geändert haben, ist die Kernaussage von Carlowitz aktueller denn je.